Montag, 2. Januar 2012

新年快樂 - Happy New Year und was davor war.

Bevor ein neues Jahr beginnen kann, muss das alte erst einmal würdig beendet werden. Gehen wir einmal eine Woche zurück, oder auch zwei – es ist eh nicht so wichtig. Wichtig ist, dass noch alles getan wird, was 2011 noch getan werden muss. Aus diesem Grund habe ich mir ein Busticket in den Süden gekauft um... nein, der eigentliche Grund war, dass ich nach drei Wochen Dauerregen in Taipei, zwischen all diesen Betonbauten endlich wieder in die Sonne wollte, in den Süden der Insel, wo es schön warm ist und wo die Betonbauten nicht ganz so hoch sind. Tatsächlich scheint sich die Landschaft mit jedem Kilometer zu verändern... aus nass graugrün wird orangegrün, wird Frühling.
Hier und da ein paar abgemähte Zuckerrohrfelder, Reisfelder, alte Fabriken, ausgetrocknete Flussbetten in denen ein paar Bauern Gemüse anbauen und weisse Vögel nach Würmern stochern...Gegen Abend komme ich in Kaohsiung an. Es ist war, ein leichter Abendwind weht mir meine Haare in die Augen und mit einem Rollkoffer in der einen Hand, Meng Zhi 孟芷 in der anderen schlender ich durch die Strassen von Kaohsiung – es könnte nicht besser sein.

Es ist fast eineinhalb Jahre her, da habe ich einigen in Taiwan versprochen, dass ich zurück nach Taiwan kommen werde – nächstes Jahr! Es ist also höchste Zeit. Der zweite Tag im Süden besuche ich alte Freunde und Bekannte unter anderem meine alte Gastfamilie. Eigentlich wollte ich nur mal vorbei schauen, statt dessen gab es eine (gefühlt) halbe Kuh zum essen (gegrillt), Wein, Fisch, Bananen, Tee als Willkommensgeschenk, viele Fotos und mehr. Der Schulleiter und seine Frau sind auch da und Pong Pong. Pong Pong? Richtig, das war der, der mir mal seine Gitarre für eine Weile geliehen hatte (da er, wie er sagt, eh nie drauf spielt und noch ganz viele andere hat) und als Pong Pong aus seinem Auto steigt, fröhlich wie sein Name schon klingt, trägt er die besagte Gitarre in der Hand. „here for you, I’ve promised you, next time you come to Taiwan I’ll give it to you“... richtig, das hatte er mal, aber dass er das ernst meinte? Und heute war also “next time”. Ich frage zur Sicherheit noch einmal nach, und noch einmal, und... aber Pong Pong bleibt dabei. Die Gitarre gehört mir.

Am dritten Tag fahre ich mit dem Bus und mit der Gitarre zurück in den Norden. Aus dem Frühling wird wieder graugrün und dunkel, doch meine Laune bleibt. Zumindest für eine ganze Weile. Sogar als ich am Montag wieder in das Büro schlendere, pfeifend wie immer, ist alles nur halb so schlimm. Zumindest für eine ganze Weile.

Es gibt da eine Ecke bei uns in der Wohnung, bzw. es gibt da viele Ecken in der Wohnung, aber die meisten sind leer und dunkel. Aber es gibt da eine Ecke, da stehen auf der Fensterbank zwei Zimmerpflanzen, ein paar Fotos, Malereinen, ein Schaf (aus zwei Pfeifenstopfern gebastelt) und ein Fotoalbum, was darauf wartet vollgeklebt zu werden. In dieser Ecke stehen auch zwei Stühle und ein alter Gartentisch. Wenn nicht gearbeitet werden muss, kann man hier wunderschön sitzen, etwas hinaus über die Stadt und die Hügel gucken, wie sie hinter einem Regenschleier verschwinden. Seit neusten kann man hier auch sitzen und Kaffee trinken. Vor ein paar Tagen, auf dem Weg zum Kino, komm ich plötzlich an einem kleinen Laden vorbei in dem es Töpfe, Teller, Vasen, Teekannen, Schüsseln, Schalen, Löffel, Stäbchen, Gläser, Woks, Krüge und noch viel mehr gibt und eben auch eine Kaffeekanne. Eine im spätromantischen Stil, oder wie aus einem alten Bahnhofrestaurant der 1920. Höchstwahrscheinlich nicht original, aber passend und schön.

Mein Jahr 2011 endet mit einer neuen Gitarre, einer Kaffekanne, ein paar Zigarillos und ein paar Dosen Bier. Zu essen gibt es Pizza und das Feuerwerk was hinter einer Rauchwolke verschwindet versucht dem Jahr zu einem würdigen Ende zu verhelfen. Das neue Jahr hingegen fühlt sich eher an wie Montag morgen. Es ist wieder grau, die Seiten meiner Gitarre habe ich immer noch nicht neu aufgezogen dafür hat meine Chefin andere Seiten aufgezogen, als ich am Montag ins Büro komme.
Aber eigentlich ist ein neues Jahr auch nichts anderes, als eine neue Woche, nur etwas länger, und gegen Ende wird es immer besser.